Nachdem die Landgerichte Heidelberg und Frankfurt am Main in zwei Urteilen zum gewerblichen Mietrecht entschieden hatten, dass sich bei der staatlich zur Eindämmung der Pandemie verordneten Schließung des Einzelhandels das Betriebsrisiko des Mieters verwirklicht und somit weiterhin die volle Miete geschuldet ist, hat das Landgericht München nun in einem Urteil vom 22.09.2020 zu Az. 3 O 4495/20 entschieden, dass die staatlich verordneten Geschäftsschließungen doch auch einen Mangel der Mietsache begründen können.
Die Parteien des Rechtsstreits hatten einen Mietvertrag über Gewerberäume geschlossen. Nach § 1 des Mietvertrages erfolgte die Vermietung ausschließlich zum Zwecke und zum Betrieb und zur Nutzung eines Einzelhandelsgeschäfts. Der Frei-staat Bayern ordnete in der Zeit vom 18.03.2020 bis 26.04.2020 die Schließung aller Einzelhandelsgeschäfte an. Vom 27.04.2020 bis 10.05.2020 war die Nutzung des vermieteten Ladengeschäftes nur eingeschränkt auf einer Fläche von bis zu 800 m² im Erdgeschoss und im Untergeschoss möglich. Für diese Zeiträume bezahlte die Mieterin keine bzw. nur eine eingeschränkte Miete.
Das Landgericht München hat nun unter Verweis auf die historische Rechtsprechung des Reichsgerichts entschieden, dass durch das Verbot der Öffnung von Verkaufsstellen für den Einzelhandel oder das Gastgewerbe sehr wohl ein Mangel im mietrechtlichen Sinne vorliegen kann, wenn die Tauglichkeit der Mieträume für den vertragsgemäßen Gebraucht aufgehoben und gemindert ist.
So urteilte das Reichsgericht bereits 1913, dass die Unbenutzbarkeit von Fabrikräumen aufgrund einer Untersagung der örtlichen Polizeibehörde einen Mangel darstelle.
Auch 1915 habe das Reichsgericht im Hinblick auf ein Restaurantetablissement, das jedenfalls nicht in unwesentlicher Weise als Tanzbar betrieben wurde, entschieden, dass das nach Beginn des Ersten Weltkrieges verfügte Tanzverbot einen Minderungsanspruch der Mieter rechtfertigte.
Auch 1916 hat das Reichsgericht dem Pächter eines Nachtlokals ein Minderungsrecht zugesprochen, nachdem die Polizeistunde allgemein vorverlegt wurde, und so der Betrieb eines Nachtlokals nicht mehr möglich war.
In seinem Urteil hat Landgericht München auf die konkrete Formulierung im vorliegenden Mietvertrag abgestellt, wonach die Mieträume eben ausdrücklich und ausschließlich zur Nutzung als Einzelhandelsgeschäft vermietet werden. Das Landgericht München sprach dem Mieter ein Minderungsrecht von 80% für den Zeitraum der voll-ständigen Schließung des Geschäfts zu. In diesem Zeitraum hätte die Mieterin die Räumlichkeit nur noch für die Mitarbeiter und die Aufrechterhaltung der Verwaltung und Inventurarbeiten oder für den Versandhandel nutzen können. Für den eingeschränkten Betrieb auf nur einer Fläche von 800 m² sprach das Landgericht den Mietern ein Minderungsrecht von 50% zu.
Die unterschiedlichen Urteile der Landgerichte macht deutlich, dass im Einzelfall sehr detailliert geprüft werden muss, welche vertragliche Vereinbarung dem Mietverhältnis zu Grunde liegt. Erst dann kann beurteilt werden, ob die Minderung des geschuldeten Mietzinses möglich ist. Sehr gerne prüfen wir für Sie Ihren Mietvertrag.