BGH entscheidet über Bindungswirkung von Patientenverfügungen

Der BGH hat in einem am 24.03.2017 bekanntgegebenen Beschluss vom 08.02.2017 nochmals zu den Voraussetzungen einer bindenden Patientenverfügung Stellung genommen. Dabei hatte der BGH über folgenden Sachverhalt zu entscheiden:

 

Die im Jahr 1940 geborene Betroffene befindet sich seit Juni 2008 in einem wachkomatösen Zustand. Sie muss seit diesem Zeitpunkt über eine Magensonde künstlich ernährt und mit Flüssigkeit versorgt werden. Bereits im Jahr 1998 hatte die Betroffene ein Schriftstück verfasst und unterschrieben, welches mit „Patientenverfügung“ betitelt war. In diesem Schriftstück legte die Betroffene fest, dass lebensverlängernde Maßnahmen unterbleiben sollen, wenn bei ihr keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins besteht oder aufgrund Krankheit oder Unfall ein schwerer Dauerschaden des Gehirns zurückbleibe.

 

In den nächsten zehn Jahren nach Verfassung der „Patientenverfügung“ äußerte die Betroffene einen entsprechenden Willen auch immer wieder gegenüber Familienmitgliedern und verwies dabei auf die von ihr verfasste „Patientenverfügung“. Auch noch nach einem Schlaganfall im Mai 2008 konnte die Betroffene gegenüber einer Therapeutin ihren entsprechenden Willen nochmals äußern.

 

Seit dem Jahr 2014 ist der von der Betroffenen zum Betreuer bestellte Sohn im Einvernehmen mit dem behandelnden Arzt der Meinung, die künstliche Ernährung müsse im Hinblick auf die bestehende Patientenverfügung eingestellt werden. Der ebenfalls zum Betreuer bestellte Ehemann der Betroffenen widerspricht dem.

 

Das Amtsgericht lehnte den Antrag des Sohnes auf Einstellung der künstlichen Ernährung ab und die dagegen eingelegte Beschwerde wurde vom Landgericht zurückgewiesen. Der BGH hat nunmehr in seiner Entscheidung vom 08.02.2017 die Entscheidung des Landgerichts aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen. Der BGH hat die Entscheidung wie folgt begründet:

 

Eine Patientenverfügung könne nur dann Bindungswirkung entfalten, wenn dieser eine konkrete Entscheidung für oder gegen bestimmte ärztliche Maßnahmen zu entnehmen sind. Dabei dürften allerdings die Anforderungen an die Bestimmtheit der Patientenverfügung nicht überspannt werden. So reiche für sich genommen die Äußerung „keine lebenserhaltenden Maßnahmen zu wünschen“ nicht aus. Allerdings könne dies dadurch korrigiert werden, dass in der Verfügung auf bestimmte ärztliche Maßnahmen oder bestimmte Krankheiten verwiesen wird.

 

Entgegen der bisherigen Rechtsprechung des BGH soll dabei eine weniger konkrete Benennung von ärztlichen Maßnahmen dadurch ausgeglichen werden können, dass Krankheiten oder Behandlungssituationen ausreichend konkret beschrieben werden. Der im zu entscheidenden Fall vorliegende dauerhafte Verlust des Bewusstseins wurde vom BGH als konkrete Behandlungssituation eingestuft, die zu einer ausreichend bestimmten Patientenverfügung führen kann. Da sich das Landgericht mit dieser Frage nicht ausreichend befasst habe, wurde die Sache zur erneuten Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

 

Für den Fall, dass das Landgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass der derzeitige Gesundheitszustand der Betroffenen nicht den Festlegungen der Patientenverfügung entspricht und damit nicht von einer bindenden Patientenverfügung auszugehen ist, hat der BGH ebenfalls den weiteren Weg vorgegeben. Dann müsse geprüft werden, ob ein Abbruch der künstlichen Ernährung dem mutmaßlichen Willen der Betroffenen entspräche. Dies dürfte nach den wiederholten eindeutigen Äußerungen der Betroffenen der Fall sein.

 

Der BGH hat mit dieser Entscheidung zwar die Anforderungen an eine wirksame Patientenverfügung etwas gelockert. Dennoch kann leider noch nicht von einer klaren Linie der Rechtsprechung gesprochen werden. In jedem Fall muss weiterhin bei allen Patientenverfügungen auf eine sorgfältige Formulierung geachtet werden. Gerne unterstützen und beraten wir Sie im Zusammenhang mit der Erstellung von Patientenverfügungen, aber auch Betreuungsverfügungen und Vorsorgevollmachten.