BGH, Urteil vom 17. Oktober 2012 – VIII ZR 226/11
- § 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB ist richtlinienkonform dahin auszulegen, dass die Nacherfüllungsvariante "Lieferung einer mangelfreien Sache" neben dem Ausbau und Abtransport der mangelhaften Kaufsache auch den Einbau der als Ersatz gelieferten Sache erfasst (im Anschluss an EuGH, Urteil vom 16. Juni 2011, Rechtssachen C-65/09 und C-87/09, BGH, Urteil vom 21. Dezember 2011, VIII ZR 70/08.
- Diese richtlinienkonforme Auslegung des § 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB ist auf den Verbrauchsgüterkauf (§ 474 BGB) beschränkt und erstreckt sich nicht auf Kaufverträge zwischen Unternehmern oder zwischen Verbrauchern.
BGH, Urteil vom 02. April 2014 – VIII ZR 46/13
Der Ausbau der mangelhaften Außenschalen wird - ebenso wie der erneute Einbau mangelfreier Außenschalen - bei dem hier vorliegenden Kaufvertrag zwischen Unternehmern entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts von dem Nacherfüllungsanspruch auf Ersatzlieferung (§ 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB) nicht umfasst. Der Senat hat entschieden, dass die richtlinienkonforme Auslegung des § 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB, nach der die Nacherfüllungsvariante "Lieferung einer mangelfreien Sache" neben dem Ausbau und Abtransport der mangelhaften Kaufsache auch den Einbau der als Ersatz gelieferten Sache erfasst, auf den Verbrauchsgüterkauf (§ 474 BGB) beschränkt ist und sich nicht auf Kaufverträge zwischen Unternehmern oder zwischen Verbrauchern erstreckt (Senatsurteil vom 17. Oktober 2012 - VIII ZR 226/11.). Daher umfasst auch der Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung wegen verweigerter Ersatzlieferung nicht die Aus- und Einbaukosten.
BGH, Urteil vom 16.4.2013 – VIII ZR 67/12
Die gebotene richtlinienkonformen Auslegung des § 439 Abs.1 Alt.2 BGB ist auf den Verbrauchsgüterkaufvertrag beschränkt und gilt nicht für Kaufverträge zwischen Unternehmern oder Verbrauchern. Bei diesen Kaufverträgen wird daher der Ausbau der mangelhaften Kaufsache und der Einbau der Ersatzsache von der Nacherfüllungsvariante "Lieferung einer mangelfreien Sache" nicht .
Eigentlich schon immer kennen wir im Baurecht das Problem, dass der Unternehmer mangelhaftes Baumaterial verbaut, das er von einem Lieferanten bezogen hat. Meist ist der Lieferant ein Händler und dieser hat seinerseits das Material wieder vom Hersteller käuflich erworben.
Das können mangelhafte Plattenbeläge, mangelhaftes Fugenmaterial, mangelhafte Mauersteine, verunkrauteter Oberboden oder ein nicht fachgerecht zusammengesetztes Substrat sein.
Der Unternehmer hat mit seinem Auftraggeber einen Bauvertrag und mit dem Lieferanten einen Kaufvertrag abgeschlossen hat.
Bis zum Jahre 2002 lief hier sogar die Gewährleistungsfrist erheblich auseinander; im Kaufvertrag galt nämlich nur eine Gewährleistungsfrist von 6 Monaten, im Bauvertrag dagegen von 5 Jahren. Wenn der Unternehmer nach 3 oder 4 Jahren vom Kunden wegen Mängel in Anspruch genommen wurde, waren die Gewährleistungsansprüche aus den Kaufverträgen zum Baumaterial längst verjährt. Die Gewährleistungsfristen sind heute immerhin identisch, soweit Materialien geliefert und verkauft werden, die üblicherweise eben für ein Bauwerk verwendet werden und dessen Mangelhaftigkeit verursacht haben.
Gewissermaßen als „Vorspann“ zur nachfolgend darzustellenden Problematik ist auf die Verpflichtungen nach dem Handelsgesetzbuch hinzuweisen. Für den Unternehmer als Käufer im Verhältnis zum Lieferanten gilt in der Regel die Untersuchung- und Rügepflicht nach § 377 HGB. Die Rechtsprechung verlangt eine sofortige Untersuchung nach Anlieferung und eine umfassende und sorgfältige Untersuchung.
Diese Verpflichtungen aus dem HGB werden leider häufig vernachlässigt und führen im Streitfalle gegebenenfalls zum Verlust der Gewährleistungsansprüche. Die hier häufig vorgebrachte“ Entschuldigung“, man habe die auf mehreren Paletten verpackt angelieferte Ware nicht sogleich untersuchen können, da die Paletten auf dem Bauhof abgestellt worden sind, hilft nicht weiter.
Die Rechtsprechung erwartet vom Unternehmer, dass verpackte Ware ausgepackt und stichprobenartig überprüft wird.
Die vorstehenden Entscheidungen des BGH verschärfen die Problematik für den Bauunternehmer und enttäuschend die Erwartungen nach der Rechtsprechung des EuGH zum Verbraucherkaufvertrag.
Die Frage ist in den Fällen einer mangelhaften Lieferung von Baumaterialien regelmäßig: Wie haften der Lieferant, also der Baustoffhändler und wie haftet der Hersteller eventuell gegenüber dem Unternehmer?
Unproblematisch ist, dass der Auftraggeber Kunde einen Anspruch auf Mängelbeseitigung, d.h. auf Nacherfüllung aus dem Bauvertrag gegenüber dem Unternehmer geltend machen kann. Der Unternehmer ist nämlich zur Leistung eines mangelfreien Werkes verpflichtet und für die Mängelbeseitigung kommt es bekanntlich nicht auf ein Verschulden an. Die vom Unternehmer geschuldet Nacherfüllung bedeutet hier in der Regel Neuherstellung.
Der Unternehmer hat gegen seinen Lieferanten aus dem Kaufvertrag einen Anspruch auf Lieferung eines mangelfreien Baumaterials. Und ebenso hat der Lieferant gegen den Hersteller aus dem dortigen Kaufvertrag einen Anspruch auf Lieferung eines mangelfreien Materials. Aber woher bekommt der Unternehmer die Aus- und Einbaukosten erstattet?
Schaut man sich die gesetzliche Regelung zur Nacherfüllung im Kaufrecht an, so ist im 1. Absatz der Norm der grundsätzliche Anspruch auf Nacherfüllung geregelt und im 2. Absatz steht dann, der Verkäufer habe „die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen“ zu tragen. Gehören dazu die Aus-und Einbaukosten? Dann wäre das Problem gelöst.
Die frühere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat sich hier leider anders positioniert: der Verkäufer schuldet über die Nacherfüllung nur die Lieferung mangelfreier Baumaterialien. Er muss seinem Käufer nur Besitz und Eigentum an einer mangelfreien Kaufsache verschaffen. Zum Einbau des als Ersatz gelieferten Baumaterials ist er dagegen nicht verpflichtet. Ein solcher Anspruch könnte nach der Auffassung des BGH nur über die Grundsätze des Schadenersatzes statt der Leistung in Betracht kommen. Ein Schadensersatzanspruch erfordert im deutschen Recht aber immer Verschulden. Der dem Unternehmer haftende Lieferant hat aber in aller Regel den Mangel an der verkauften Sache nicht verschuldet, sodass schon daran seine Haftung scheitert.
Diese BGH-Entscheidung betrifft gilt für den Fall, dass der Kunde, nämlich ein Privatkunde, also ein Verbraucher die mangelhafte Ware-im BGH-Fall Parkettstäbe-direkt beim Lieferanten bezogen hat und diese dann vom Unternehmer einbauen lässt. Dennoch hatte der BGH, wie eben beschrieben, die Haftung des Lieferanten für die Aus-und Einbaukosten verweigert.
Diese Rechtsprechung hat der Europäische Gerichtshof im Juni 2011 korrigiert. Im Vertragsverhältnis zum Verbraucher ist danach der Verkäufer verpflichtet, entweder selbst den Aus-und Einbau vorzunehmen oder dem Verbraucher-Käufer die dafür entstehenden Kosten zu bezahlen.
Nach diesem EuGH-Urteil war die Erwartungshaltung groß, der BGH werde nun seine Rechtsprechung zu den Aus-und Einbaukosten insgesamt korrigieren. Leider war dies nicht der Fall. Bereits im Dezember 2011 und dann in einer weiteren Entscheidung im Oktober 2012 schloss sich der BGH zwar dem EuGH an, soweit es um Kaufverträge mit Verbraucher-Auftraggebern ging, stellte aber klar, dass diese Rechtsauslegung auf den Verbrauchsgüterkauf beschränkt sei und sich gerade nicht auf Kaufverträge zwischen Unternehmern oder zwischen Verbrauchern beziehe.
In den oben angeführten neueren Entscheidungen bestätigt der BGH dann die Rechtsprechung noch einmal und betont, in Kaufverträgen zwischen Unternehmen umfasse der Nacherfüllungsanspruch nicht die Aus-und Einbaukosten der mangelhaften Sache. Noch einmal weist der Bundesgerichtshof darauf hin, dass beim Kaufvertrag der Lieferant eben nur eine Lieferpflicht und keine Herstellungspflicht habe. Es bleibt für den Unternehmer also nur, ein Schadensersatzanspruch.
Und hierzu differenziert der BGH zwei unterschiedliche Fälle:
Der Verkäufer verletzt seine Verpflichtung zur Nacherfüllung.
Gemeint sind hier die Fälle, dass der Unternehmer-Käufer eine Frist zur Lieferung von Ersatzmaterialien stellt, diese jedoch ergebnislos verstreicht. Oder der Verkäufer lehnt die Nacherfüllung kategorisch ab. In solchen Fällen erhält der Unternehmer Schadenersatz in Höhe der Kosten eines Deckungskaufes. Es werden also nicht die Aus-und Einbaukosten erstattet.
Der Verkäufer liefert schuldhaft ein mangelhaftes Baumaterial.
Am ehesten könnte dies der Fall sein, wenn der Lieferant gleichzeitig der Hersteller der Baumaterialien ist und der Materialfehler durch eine Pflichtverletzung bei der Herstellung des Materials schuldhaft verursacht wurde. In diesem Falle kommt ein Anspruch auf Erstattung der Aus- und Einbaukosten in Betracht. Allerdings wird dem Lieferanten, also dem Verkäufer, nicht ein Verschulden des Herstellers zugerechnet.
Im Ergebnis stellen wir fest, dass nach dieser Rechtsprechung der Anspruch des Unternehmers auf Erstattung der Aus-und Einbaukosten nur in seltenen Fällen als Schadensersatzanspruch über das Kaufrecht begründet werden kann.
Es bleibt also das Risiko beim Verbau mangelhaften Baumaterials weitgehend beim Bauunternehmer. Helfen könnte möglicherweise der Gesetzgeber.